Ort: Time Squares Quad Recording Studios/New York
Zeit: 0:20 Uhr
Tupac wurde bereits 1994 in NY fünf Mal angeschossen, überlebte jedoch den Anschlag. Im September 1996 wird er bei einem zweiten Attentat lebensgefährlich getroffen und erliegt einige Tage später seinen Verletzungen im Krankenhaus.
Das ‚Vibe‘ Magazin hat sich intensiver mit dem Fall beschäftigt und die letzten 7 Tage von Tupac in einem gelungenen Artikel Revue passieren lassen:
Samstag, 7. September 1996
Mike Tyson ist Boxweltmeister. Gewaltig aber verwundbar, mit Lebenserfahrung in bezug auf das Straßenleben, aber auch naiv.
Er repräsentiert einen schwarzen, erfolgreichen Hustler.
Damit hat er die Herzen seiner Fans erobert.
Ein Tyson-Kampf ist eine inoffizielle Gangsterparty. Dort, wo sich die Ghetto-Elite trifft: reiche Niggaz, die nichts zu verlieren haben und sich an ihren Widersprüchen erfreuen.
Das bunte, farbige Volk strömt an diesem heißen Abend in bester Stimmung in das MGM Grand Hotel in Las Vegas.
Drinnen sind berühmte Persönlichkeiten wie Stacey Augmon, New Edition, Gary Payton, Too Short und Run DMC.
Zwischen den Bangern, Ballern, Dealern und VIP-Gästen sitzen zwei der berüchtigsten Rapper Amerikas: Marion "Suge" Knight, Besitzer von Death Row (heute: Tha Row Records), der kein Geheimnis aus seiner früheren Karriere bei den ‚Bloods‘ macht, und sein fünffacher Platin-Superstar, Tupac Shakur.
Die Glocke erklingt und Mike Tyson erledigt schnell seine Arbeit mit dem chancenlosen Bruce Seldon.
Zu schnell, nach dem Geschmack der meisten Zuschauer.
Die Stimmung nach dem 1o9-Sekundenkampf ist lau, aber Tupac ist fröhlich und springt wie ein Teenager.
"Hast du gesehen, Tyson hat’s ihm gegeben, habt ihr das alle gesehen?", sagt Tupac zu einem Kameramann in der MGM Lobby.
Er beginnt, immer mehr über Tyson zu reden.
"Habt ihr das alle gesehen, 5o Schläge, ich habe 5o Schläge gezählt! Ich wusste, er würde ihn fertigmachen. Wir Bösen mögen sowas.
Kaum sind wir aus dem Knast raus, schon legen wir los wie der Teufel." Suge lächelt über Tupacs Worte, nimmt seinen Arm und zieht ihn von den Kameras weg.
Tupac will nun zu seinem Zimmer im naheliegenden Luxor Hotel, einer massiven Pyramide mit erleuchteter Spitze, zurückkehren.
Als er sich mit einem Freund unterhält, ist er etwas beunruhigt, weil er seine Crew von den ‚Outlaws‘ nicht finden kann, welche eigentlich auch zu dem Kampf kommen wollten. Der erzählte von einem Streit derer mit den ‚Crips‘.
Draussen vor dem MGM macht ein Amateurfilmer Aufnahmen von Tupac und Suge, welche in ihrem 75o-er BMW warten und von vielen Ladys umringt werden. Tupac hat sein seidenes T-Shirt gegen ein schwarzes Basketballjersey getauscht, welches seine tätowierten Bizeps besser zur Geltung bringt sowie sein diamantenes Medallion, welches um seinen Hals hängt.
Auf ihm ist ein wartender Engel mit geöffneten Flügeln und einer Waffe in der Hand zu sehen.
Um 23:15 Uhr fahren Suge und Tupac vom Las Vegas Boulevard zum Flamingo Boulevard, Richtung Osten, zu Suges Club 662, wahrscheinlich um die Party fortzusetzen. Einige Ladys in einem Oldsmobile fahren neben Tupac und Suge her.
Suge sitzt am Steuer, Tupac neben ihm, das Fenster heruntergekurbelt.
Er lacht die ganze Zeit seinen Fans zu und lädt sie zur Party ein. Einen Konvoi von 6 bis 15 Autos anführend hält der BMW an einer roten Ampel, in der Nähe des Maxim Hotels, kurz hinter dem Strip, an dem das Neonlicht endet und die Dunkelheit der Wüstenstadt beginnt.
Ein weißer Cadillac mit kalifornischem Nummernschild taucht plötzlich neben dem BMW auf. Einer der angeblich vier Insassen zieht eine großkalibrige Waffe.
"Ich hörte diese Geräusche und dachte, irgendjemand würde in die Luft schießen.", sagte ein Augenzeuge, der sich drei Autos dahinter befand.
"Aber da sah ich das Mündungsfeuer der Waffe…". Zwischen 1o und 15 Schüsse werden abgefeuert. Blei bohrt sich durch das Metall des BMW, Glas und Fleisch. Zwei Kugeln treffen Tupac in die Brust, eine seine Hand und eine sein Bein.
Kugelsplitter treffen Suge am Kopf.
Der Cadillac flieht in Richtung Süden (Koval Street).
Mit zwei zerschossenen Reifen und einer zerschossenen Windschutzscheibe wendet Suge in einer in einer 18o°-Drehung, den Gegenverkehr nicht beachtend.
Zwei Polizisten, beim Maxim auf Streife, hören die Schüsse und sehen die Aufregung. Sofort begeben sie sich zum Tatort.
Nach Berichten eines Freundes, der später verhört wurde, blutet Tupac sehr stark durch sein Jersey. " Behalte deine Augen offen…!", sagt Tupac zu sich selbst.
Suge hält das Auto an und die Polizei trifft ein.
Tupac liegt quer über dem Sitz und blutet sehr stark. Krankenwagenlichter leuchten irgendwo. "Es war überall Blut.", sagte ein Zeuge.
"Auf den Boden!", schreit ein Polizist, eine Waffe auf Suge gerichtet. "Ich muss meinen Jungen ins Krankenhaus bringen!", schreit Suge. "Schnauze, auf den Boden!". Suge kniet sich auf den Boden.
Hinter der Stadt gleitet ein weißer Cadillac leise in die Nacht hinaus.
"Ich sterbe, ich sterbe!", sagt Tupac, als er in die Intensivstation des Universitätskrankenhauses eingeliefert wird.
Er verliert eine Menge Blut. Nun findet er die erste von zwei komplizierten Operationen statt. Danach stürzen Tupacs Mutter, seine Tante und Freunde wie Mike Tyson, Jesse Jackson und Jasmine Guy in sein Zimmer.
Sonntag, 8. September 1996
Innerhalb von Stunden hat die Welt von der Schiesserei erfahren.
Zwei Jahre nach den letzten Schüssen auf Tupac wurde er nun erneut angegriffen; keiner weiß, was er denken soll.
Wird Tupac sterben? Oder wird er durch diese Feuerprobe noch mächtiger, noch unsichtbarer? Es ist schwer, sich vorzustellen, dass so eine vitale, energiegeladene Person wie Tupac nun völlig regungslos daliegt.
Es ist der Mann, der nach einer Schiesserei mit der Polizei in Atlanta straffrei und unverletzt aus dem Gerichtssaal ging.
Es ist derselbe Mann, der 1994 fünf Schusswunden überlebte.
Derselbe Mann, der wegen sexueller Belästigung im Gefängnis saß, verließ das New Yorker Gefängnis noch reicher und beliebter als zu dem Zeitpunkt, zu dem er hineinmusste.
"Tupac wird wieder gesund. Er wird durchkommen…!", sagte ein Familienangehöriger.
Wie zu erwarten war, zeigt die Presse ein Gangsterimage von Tupac: die Gerichtsfälle, der Gefängnisaufenthalt und die aggressiven Texte gegen Bob Dole.
Aber seine Freunde kennen ihn auch anders: "Der ganze Gangsterscheiß.
Ich habe das nie gesehen.
Ich erinnere mich wie Tupac vier Stunden mit seiner Lady getanzt hat, während jeder nur getrunken und gefeiert hat.
So kenne ich ihn. Er ist absolut kultiviert, intelligent und sprachbegabt.", sagte HipHop-Mogul Russel Simmons.
"Er sieht wie ein schlafender schwarzer Engel aus.", sagte ein enger Freund, nachdem er ihn im Krankenhaus besucht hatte.
"Ich sprach mit ihm und berührte ihn.
Ich sagte ihm, dass er nicht aufgeben solle." Die Mitglieder von Suges Death Row-Label werden von der Polizei befragt, aber sie geben kaum Auskünfte.
Sgt. Kevin Manning von der Las Vegas Polizeibehörde sagt: "Sie waren nicht sehr gesprächig und schon gar nicht kooperationsbereit in Bezug auf die Tatumstände."
Montag, 9. September 1996
Aus Angst vor Anschlägen lassen die Verantwortlichen des Krankenhauses Sicherheitsleute aufstellen.
Vor der Intensivstation sind nun Sicherheitsleute von UMC, Polizisten des Las Vegas Police Department und Bodyguards von Death Row – nur Muskeln, Waffen und Walkie Talkies – zu sehen.
Draussen vor dem Krankenhaus hat ein Fernsehsender Posten bezogen.
Als ein Van zwei Fehlzündungen hat, wirft sich jeder in Hörweite zu den Boden. Um 16 Uhr geraten die Polizei und Tupacs Crew in eine Auseinandersetzung, die mit einigen Festnahmen endet.
LVPD’s Gang-Verantwortlicher Sgt. L. West meinte dazu: "Das Ganze war ein Missverständnis." Gerüchte gehen um.
Es kommt darauf an, wen man fragt: entweder ist Tupac auf dem Weg ins Jenseits oder er liegt im Bett und raucht eine Zigarette nach der anderen.
In Wirklichkeit ist er am Leben, jedoch befindet er sich in einem sehr kritischen Zustand. Die Ärzte beschließen, ihn ein zweites Mal zu operieren und Tupacs rechten entzündeten Lungenflügel zu entfernen.
"Man kommt auch mit einer Lunge aus…", sagt Chefarzt Dr. J. Weissler. "Und nach einer Weile kann man ganz gut damit leben."
Nach der Bewusstlosigkeit öffnet Tupac zeitweise seine Augen.
Dienstag, 1o. September 1996
Die gesamte HipHop-Welt schaut auf Tupacs Genesung.
Reporter glauben, dass die Schiesserei durch die Ost-West-Rivalität hervorgerufen wurde. Einige begründen sie durch Gang-Rivalitäten.
Unter den gefallen Namen finden sich Notorious B.I.G. und Mobb Deep (beide befanden sich wegen seinen Texten im Streit mit Tupac), L.A. Crips, sogar Death Row-Mitarbeiter wurden verdächtigt.
Dann erhält ein Bad Boy-Mitarbeiter Morddrohungen und die New Yorker Plattenfirma lässt einige Auftritte ihrer Künstler absagen.
"Dass dies ein Gang-Konflikt ist, ist noch reine Spekulation.", sagte Sgt. Manning, "wir müssen uns auf die Fakten verlassen."
Die gesamte Death Row-Crew wurde von höchster Ebene unter Redeverbot gestellt. LVPD-Leute, die von der Nichtkooperation von Tupacs Leuten frustriert waren, sagten der Presse: "Das Problem ist die fehlende Kooperation der Death Row-Mitarbeiter.
Es verwundert uns, dass sie professionelle Bodyguards haben, welche nicht mal eine konkrete Beschreibung des Täterfahrzeugs geben können." Zu diesem Zeitpunkt ist Suge, der nach der Behandlung seiner Kopfverletzung entlassen wurde, nirgends aufzufinden.
In der Intensivstation finden nun Meditationen und Gebete statt.
Tupacs Tante Yasmyn Fula, eine bedeutende Frau, nimmt ihre Brille ab und reibt sich ihre müden Augen. "Ich bin sehr erschöpft.", sagte sie leise.
Afeni Shakur (Tupacs Mutter, 5o Jahre alt), einer kleingewachsenen Frau, geht es ebenso.
Die frühere Black Panther-Aktivistin, welche Tupac liebevoll Mama nennt, scheint das Gewicht der ganzen Welt auf ihren Schultern zu tragen.
Die Besuchszeit ist nun vorbei und sie kehrt zum Hotel zurück, um sich ein oder zwei Stunden auszuruhen. Tupac ist noch immer in einem kritischen Zustand.
Die Familienangehörigen gehen wortlos zu ihrem blauen Chrysler.
Ein älterer Mann legt den Arm um Afeni und sie lässt sich erschöpft ins Auto fallen; das Auto fährt dann langsam davon.
Mittwoch, 11. September 1996
Am Morgen gibt es Nachrichten von einem Mord in L.A. Ein Compton-Bodyguard, der, wie die Polizei sagt , den Southside Crips angehörte, wurde in seinem Auto erschossen.
Es gibt Gerüchte, dass der Mord die Rache für das Attentat auf Tupac war.
"Jemand fuhr einfach ganz langsam vorbei und hat ihn weggepustet.", sagte LAPD-Mordkommissar Mike Pariz.
"Und das ist erst der Anfang.", sagte ein Comtoner Einwohner.
"Die Gang-Scheiße geht jetzt erst richtig los." Suge stellt sich der Polizei für Fragen zur Verfügung.
Ermittler sehen sich ein Videoband an, das vom MGM am Abend des Tysonkampfes aufgenommen wurde.
Es zeigt Tupac und andere in einer Konfrontation mit einem unbekannten Schwarzen, der Jeans und T-Shirt trägt. "Das passierte gegen 2o:45 Uhr.", sagt Manning, "Schläge und Tritte wurden bei der Auseinandersetzung verteilt."
Von oberster Stelle wollte man nicht sagen, ob Tupac oder Suge persönlich den Mann angegriffen haben.
Als die Polizisten am Tatort eintrafen, fragten sie den Mann, ob er Anzeige erstatten wolle. Er sagte: "Vergesst es…!" und ging.
Die Polizisten haben nie einen Namen bekommen. "Es gibt keinen Grund, zu glauben, dass diese Tatsachen alle zusammenhängen müssen.", sagte Manning.
Donnerstag, 12. September 1996
Tupac, der seine Augen geschlossen hat und dessen verbleibende Lunge sich nun ebenfalls entzündet hat, kämpft um sein Leben.
Er ist an eine Beatmungsmaschine angeschlossen, sein Körper zuckt manchmal sehr stark. Die Ärzte veranlassen eine künstliche Lähmung, um zu verhindern, dass Tupac sich selbst schadet. Dr. J. Fildes, Leiter der Intensivstation, gibt ihm eine 2o %-ige Überlebenschance.
"Es hat sehr schwere Verletzungen.", sagte er. "Ein Patient kann an Mangel von Sauerstoff sterben oder er kann innerlich verbluten."
Trotz einiger Zeitungsberichte wie "Verwundeter Tupac Shakur wird wahrscheinlich nicht mehr lange leben" geben die Familienangehörigen die Hoffnung nicht auf.
Freitag, 13. September 1996
"Hier ist Dale Pugh, Direktor für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätskrankenhauses von Las Vegas", sagt ein automatischer Anrufbeantworter." Diese Nachricht wurde am Freitag, den 13. September 1996, um 15:15 Uhr aufgezeichnet. Tupac Shakur ist im UMC-Krankenhaus um 16:3o Uhr gestorben. Die Ärzte haben als Todesursache Atem- und Herzstillstand angegeben."
Im Krankenhaus herrscht eine bedrückende Stille.
Mehr als 15o Menschen haben sich draussen versammelt: schwarze, junge Ladys mit ihren Müttern, schlaksige junge Männer mit Kämmen in ihren ungekämmten Haaren, andere tragen lässige Oversized-Hosen und Shirts, junge schwarze Banger und viele viele Teenager.
Ausgesandte Reporter warten mit den Trauernden. Ein blonder, blauäugiger Polizist steht neben einem weißen Jungen, der Dollarzeichen auf seinen Nacken tätowiert hat. Umgeben von der Familie kommt Afeni Shakur aus der Intensivstation, stille Entschlossenheit ist in ihrem Gesicht erkennbar. "Sie ist eine sehr spirituelle Frau.
Ich glaube, sie wusste, dass sie ihren einzigen Sohn schon lange vorher an Gott gegeben hat.", sagte ein Freund der Familie.
Ein Mitglied von Tupacs Crew verlässt die Intensivstation kurz danach.
Er starrt einen Krankenhausangestellten an und schreit ihn an: "Warum verdammt noch mal hast du ihn sterben lassen? Warum verdammt hast du ihn sterben lassen, hä?"
Hinter ihm kommt Yakki, Tupacs Cousin, welcher schon immer an Tupacs Seite war, mit rotem Gesicht heraus.
Death Row-Rapper Danny Boy kommt in Röhrensocken und Slippern heraus, Tränen rollen hinter seiner Sonnenbrille herunter.
Am Himmel ist eine Spur von Kaminrot in den Wolken. Plötzlich erscheinen drei große glänzende Autos und Suge Knight steigt aus einem schwarzen Lexus, in einem Phoenix Suns-Trikot, sein verwundeter Kopf ist durch den Verband erkennbar.
Seine gewaltige Figur bringt die Menge zum Schweigen.
Er betritt die Intensivstation des Krankenhauses, wobei er Danny Boy mit dem Arm umschlingend und sich leise mit den Angehörigen von Tupacs Familie unterhält.
Ohne seinen besten Freund Tupac sieht Suge sehr traurig aus.
Nach ein paar Minuten dreht er sich um, nimmt ein paar Züge aus seiner fast aufgerauchten Zigarette und geht. Er lässt eine flüsternde Menge hinter sich zurück.
Während die Zeit vergeht, bildet sich draußen eine fast feierliche Atmosphäre.
Autos fahren langsam vorbei und spielen Tupac-Songs. Kinder fangen an, sich aus der Reichweite ihrer Eltern zu stehlen.
Ein Junge versteckt sich zwischen zwei parkenden Autos und schaut voller Freude, ob ihn jemand sieht.
Die Presse reagiert schnell. Die Leute beginnen, auseinanderzugehen. Ein schwarzer Van umrundet das Krankenhaus und dreht sein Autoradio laut auf: Man hört: "If I die tonight"
"Nun ist es Wirklichkeit geworden.", sagte Vibe-Redakteur Robert Morales.
"Diese Sache hat ihre Unschuldigkeit verloren.
All die beschissenen Leute haben in den letzten 5 Jahren nur geredet, das ganze dumme Gerede hat zu diesem Scheiß geführt. HipHop hat eine Grenze überschritten und es wird schwer, wieder zurückzukommen."